(Extreme) Rechte in kommunalen Gremien

von Tilo Giesbers

Wie viele kommunale Mandate werden aktuell von rechten und extrem rechten KommunalpolitikerInnen gehalten? Wie viele Sitze haben neben den alten Bekannten von NPD, den Republikanern oder der Pro-„Bewegung“ VertreterInnen des unübersichtlichen Sammelsuriums von rechtskonservativen WählerInnengruppen bis neonazistischen EinzelbewerberInnen, von rechten Kleinstparteien über christliche FundamentalistInnen bis zu türkischen NationalistInnen? Und wie stark ist die AfD wirklich?

Der vorliegende Artikel und die dazu gehörende Karte liefert erstmals einen umfassenden Überblick zu diesen Fragen. Betrachtet wurden nur die direkt gewählten Gremien, ein paar wenige Bürgermeister und ein kurz vor seiner Wahl aus der AfD ausgetretener Bürgermeister in Teuchern (Sachsen-Anhalt). Insgesamt konnten wir 2.355 Mandate finden.

Zum Teil 2 der Recherche: Die (extreme) Rechte im Europaparlament, Bundestag und den Landtagen

In indirekt gewählten Gremien wie zum Beispiel Regionalversammlungen in Nordrhein-Westfalen, Amtsausschüssen in Brandenburg und Schleswig-Holstein oder Bezirksbeiräten in Baden-Württemberg kämen noch einmal gut einhundert rechte Sitze hinzu.

Da wir nicht alle Rechten kennen, die nicht für bekannte, rechte Parteien oder Listen antreten, muss die Aufstellung als unvollständig angesehen werden. Außerdem gibt es auch Übertritte von bisher nicht als rechts bekannten Personen zu rechten Parteien oder Listen. Nicht immer wird dies von Medien aufgegriffen.

Es gibt eine Vielzahl von kommunalen Parlamenten für die verschiedenen Gebietsgliederungen. Zu den 401 Landkreisen und kreisfreien Städten sowie gut 11.000 selbständigen Städten und Gemeinden kommen in einigen Bundesländern Bezirke bzw. Regionen und Gemeindeverbände. Viele ehemals selbständige Gemeinden sind nach Eingemeindungen und Fusionen heute Ortsteile. In einigen Bundesländern werden auch hierfür Vertretungen gewählt, teilweise aber nicht direkt von der Bevölkerung, sondern indirekt von den Räten der jeweiligen Gemeinde.

Einen genauen Überblick über die Zahl der zu vergebenen Mandate gibt es nicht. Selbst die Landeswahlleitungen kennen teilweise nicht einmal die Zahl der zu wählenden Gremien. So meldete die Landeswahlleitung Sachsen-Anhalt zu den dortigen Wahlen 2014, es würden 799 Ortschaftsräte gewählt werden. Tatsächlich belief sich die Zahl auf 987, von denen einige wenige mangels Kandidierenden später oder gar nicht gewählt wurden.

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass regelmäßig mehrere hunderttausend Mandate vergeben werden. Der Anteil der bekannten, rechten Mandate liegt damit geschätzt zwischen einem halben und einem Prozent aller Sitze.

Bei AfD, LKR, NPD und den Republikanern ist das Geschlechterverhältnis ähnlich, rund 10 Prozent der Mandate werden von Frauen besetzt. Anders sieht das auf den Listen der Pro-„Bewegung“ und der christlich-fundamentalistische Parteien aus, hier wird etwa jedes viertes Mandat von einer Frau besetzt.

Die Alternative für Deutschland (AfD)

Unbestritten wird die extreme Rechte aktuell von der Alternative für Deutschland (AfD) dominiert.

Bei den Kommunalwahlen der letzten Jahre hat die Partei mindestens 1.474 Mandate erhalten. Insgesamt 66 dieser Sitze sind unbesetzt, weil es entweder nicht genügend BewerberInnen gab, nach Mandatsverlust keine NachrückerInnen mehr auf der jeweiligen Liste standen, oder die Nachfolge noch nicht bestimmt wurde. Von den 1408 besetzten Sitzen haben 155 Frauen inne, was einem Anteil von elf Prozent entspricht. Zu einigen der MandatsträgerInnen liegen keine Altersangaben vor. Die 1.361 mit Geburtsdaten sind im Durchschnitt gut 55 Jahre alt.

Mehr als 200 der für die AfD Gewählten haben der Partei mittlerweile den Rücken gekehrt. Oft ging es dabei um gekränkte Eitelkeiten oder persönliche Streitereien. Mindestens 74 Austritte gehen auf die Abspaltungen unter Lucke und Petry zurück.

Einige wenige AfD-Mitglieder sind als EinzelbewerberInnen oder über andere Listen zu Mandaten gekommen. Weitere mindestens elf sind von Republikanern, DSU, CDU, FDP, SPD, LINKEN oder Wählergemeinschaften zur AfD gewechselt.

Aktuell hält die AfD 1.258 Mandate als AfD. Unter den 1.192 besetzten Mandaten sind 135 Frauen (11,3 Prozent). Der Altersdurchschnitt beträgt soweit bekannt 55 Jahre. Einige der Verordneten halten mehrere Mandate, beispielsweise im Kreistag und Gemeinderat. Netto verteilen sich die 1.192 besetzten Mandate auf 1.063 Personen. Auch hier beträgt der Durchschnitt der vorliegenden Altersangaben etwa 55 Jahre.

In den Bundesländern ist die AfD sehr unterschiedlich stark vertreten. Dies liegt in erster Linie nicht an der Stärke der Partei in der jeweiligen Region, sondern vor allem an der unterschiedlichen Zeitpunkten, an denen gewählt wurde.

In Thüringen erreichte die damals noch deutlich gemäßigtere AfD parallel zur Europawahl am 25.05.2014 ganze fünf Kommunalmandate. Der Strukturaufbau der Partei kam für die Wahlen schlicht zu spät. Schon vier Monate später war Björn Höcke Fraktionschef im Landtag. Ähnlich ist die Situation in Bayern (März 2014 elf Mandate). In Schleswig-Holstein fanden die Wahlen schon im Mai 2013 statt. Bei Ablauf der Einreichungsfrist für die Kandidaturen war die Partei gerade erst gegründet. Die einzigen drei Mandate dort gingen aus Übertritten hervor.

In Hessen und Niedersachsen fanden flächendeckende Kommunalwahlen erst im März und September 2016 statt. Mit 728 hält die AfD allein in diesen beiden Ländern nahezu die Hälfte der insgesamt 1.474 durch Wahlen erreichten Sitze. Bei den aktuellen AfD-Mandaten sind es 699 von 1285, also mehr als die Hälfte.

Der Ost-West-Vergleich ergibt eine ungefähr der Bevölkerung entsprechende Verteilung der Mandate. 312 erreichte Mandate im Osten stehen 1.162 im Westen gegenüber, also fast 1 zu 4. Bei den aktuellen AfD-Sitzen kippt das Verhältnis mit 273 zu 985 schon deutlich in Richtung Westen. Nach den Kommunalwahlen 2019 könnte sich das Verhältnis deutlich zugunsten des Ostens verschieben, da die AfD dann – anders als 2014 – genug Zeit hatte, ihre Strukturen aufzubauen.

AfD-Abspaltungen

Die Liberal-Konservativen Reformer (LKR) beziehungsweise ihre Vorgängerpartei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA) von Bernd Lucke hatten insgesamt mindestens 61 Sitze durch Übertritt aus der AfD, sechs davon im Osten. Aus Wahlen für ALFA gingen 19 Sitze hervor. Mittlerweile sind 22 der Verordneten ausgetreten, so dass die Partei auf aktuell 58 Sitze kommt, darunter sechs Frauen. Das Durchschnittsalter liegt hier bei gut 58 Jahren.

Die Blauen

Die von Frauke Petry und Markus Pretzell initiierte Blaue Partei spielt mit ganzen fünf Mandaten in Kommunalvertretungen praktisch keine Rolle. Petry erklärte, sich vor allem auf die Blaue Wende als „Bürgerforum“ zu konzentrieren. An Wahlen wird sich die Partei wohl nur punktuell beteiligen. Schwerpunkt dabei dürfte die Landtagswahl in Sachsen 2019 werden.

In Stuttgart gründeten ehemalige AfD-Funktionäre mit der Demokratischen Liberalen Liga noch eine andere Partei, die bisher – soweit bekannt – ohne Mandat ist.

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)

Vor fünfzig Jahren stellte die NPD Fraktionen in sieben der zehn westdeutschen Landtage. Angaben zu Kommunalmandaten in dieser Zeit sprechen von deutlich vierstelligen Zahlen. Heute befindet sich die Neonazi-Partei (wieder einmal) im Niedergang. Bei den Wahlen zu den aktuellen Kommunalvertretungen erlangte sie gerade noch 364 Sitze – inkl. EinzelbewerberInnen mit NPD-Parteibuch.

Spätestens nachdem die Partei im Sommer 2014 in Sachsen aus dem Landtag flog, verloren viele ihrer Mitglieder das Vertrauen in zukünftige Erfolge. Einige der Jüngeren, die damals die Partei verließen, sind heute bei den Identitären, Einprozent und als Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten zu finden. Sicherlich haben auch Kämpfe um die dann deutlich weniger zu vergebenen Posten und persönliche Konflikte dazu beigetragen, dass seit 2014 mindestens 37 MandatsträgerInnen die NPD verließen, die meisten davon im Osten.

Heute stellt die NPD noch 326 kommunale Verordnete. Darunter sind nur 68 aus dem Westen Deutschlands, also ein Fünftel. Nur jedes dreizehnte NPD-Mandat wird von einer Frau gehalten. Von den 25 weiblichen Verordneten der Partei wohnen sieben im Osten. Das Durchschnittsalter liegt mit etwa 47 Jahren ganze acht Jahre unter dem Schnitt bei der AfD.

Vierzehn weitere Mandate werden von Listen gehalten, die fälschlich oft als NPD-“Tarnlisten“ bezeichnet werden. Damit sind Wählergemeinschaften gemeint, deren Kandidierende als NPD-Mitglieder und/oder Neonazis bekannt sind, aber unter unverdächtigen Listennamen wie Alternative für Torgelow (AfT) oder Bündnis Zukunft Hildburghausen (BZH) antreten. Aber auch Listen mit eindeutigeren Namen wie Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) konnten einzelne Sitze auf sich verbuchen.

Die insgesamt 385 besetzten Mandate der Kategorie NPD/Die Rechte verteilen sich auf 286 Personen, die im Durchschnitt 47 Jahre alt sind.

Wie sich zuletzt in Hessen gezeigt hat, kann die NPD bei Wahlen punktuell wie in Wetzlar durchaus von der aktuellen, rassistischen Stimmung profitieren – allerdings nur ohne gleichzeitigen Antritt der AfD. Insgesamt wird die Partei auch bei den kommenden Wahlen einen Großteil ihres Potentials an die neue Konkurrenz verlieren. Inhaltlich sind die Unterschiede schließlich kaum noch auszumachen.

Die Rechte

Die Partei Die Rechte konnte lediglich sieben Mandate in Hamm und Dortmund erlangen. Hinzu kommt ein Mitglied in Brandenburg, das auf der NPD-Liste kandidiert hat. Durch Übertritte aus der NPD hat die Partei aktuell auch drei Mandate in Thüringen.

Die Pro-„Bewegung“

Die Pro-„Bewegung“ ist mit gemeinsam agierenden, miteinander vernetzten Gruppen in verschiedenen Bundesländern aktiv. Teilweise ist es schwierig, eine Zugehörigkeit zum Pro-Netzwerk zu konstatieren. Wahllisten, die ein Pro vor dem Ortsnamen tragen, gibt es zu hunderten.

Aktuell zählen wir 79 Pro-Mandate in fünf Bundesländern, darunter 19 Frauen, also fast ein Viertel. Nach wie vor ist Nordrhein-Westfalen mit 61 Mandaten die Schwerpunktregion. Das Durchschnittsalter liegt wie bei der AfD bei 55 Jahren.

Pro Deutschland (Pro D) hat sich am 11.11.2017 aufgelöst. Mitglieder und Mandatsträger wurden vom scheidenden Bundesvorstand aufgefordert, sich der AfD anzuschließen. Ob es tatsächlich zu Übertritten kommt, ist unklar. Pro D steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD für eine Mitgliedschaft. Möglich ist aber die parteilose Vertretung der AfD als MandatsträgerIn. Da die Angaben in den kommunalen Informationssystemen bisher noch Pro D als Partei angeben, wurden diese Angaben übernommen. Danach kommen Pro D und Pro NRW aktuell auf jeweils 25 Mandate.

Die Republikaner

Die Zeiten der Republikaner (REP) im Europaparlament, mehreren Landtagen sowie durch Übertritte sogar im Bundestag sind lange vorbei. Einige Landesverbände existieren nicht mehr. Trotzdem hat die Partei in einigen Regionen – fast ausschließlich im Westen – nach wie vor eine Basis und hält aktuell noch 83 Mandate, wovon 8 auf Frauen entfallen. Die 72 Verordneten, zu denen Altersangaben vorliegen, sind im Durchschnitt 61 Jahre alt. Bei den nächsten Kommunalwahlen 2019 und 2020 wird die Partei voraussichtlich weiter an Boden einbüßen.

Christlich-fundamentalistische Parteien

In diesem Spektrum gibt es eine Reihe Kleinparteien, die zwar wenige Mandate halten. Da ihre Ideologie aber nicht zuletzt durch die AfD und den Marsch für das Leben in letzter Zeit wieder Konjunktur hat, haben wir ihnen eine eigene Kategorie zugeteilt.

Das Bündnis C – Christen für Deutschland (Bündnis C) kommt aktuell auf vierzehn Sitze. Einige davon werden offiziell noch der Partei für Arbeit, Umwelt und Familie, Christen für Deutschland (AUF) zugerechnet. Diese ist aber 2015 mit der Partei Bibeltreue Christen (PBC) zum Bündnis C fusioniert. Dazu kommt ein Stadtrat und Ortsbürgermeister, der seine Mandate früher für die PBC inne hatte.

Auf vier Mandate und einen Bürgermeister kommt außerdem die CHRISTLICHE MITTE – Für ein Deutschland nach GOTTES Geboten (CM).

Sonstige Parteien

Auf die Vielzahl der rechten Kleinstparteien, Wählergemeinschaften und EinzelbewerberInnen im Detail einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. Auch statistische Auswertungen machen für diesen Bereich wenig Sinn. Kurze Einordnungen finden sich jeweils bei den Anmerkungen zu den einzelnen MandatsträgerInnen.

Ausblick

Die Kommunalwahlen Anfang Mai in Schleswig-Holstein werden das Übergewicht des Westens nochmals steigern. Und auch die beiden Landtagswahlen 2018 betreffen mit Bayern und Hessen zwei Westländer. Mit Hessen schließt sich für die AfDder Kreis. Dort hatte sie 2013 für wenige Monate durch den Übertritt eines FDP-Abgeordneten ihr erstes Landtagsmandat. Bei den Wahlen parallel zur Bundestagswahl im selben Jahr trat sie erstmals auf Landesebene an und verpasste den Einzug knapp. In diesem Jahr wird sie nach Union, SPD, FDP und Grünen erst die fünfte Partei sein, die in allen Landtagen und dem Bundestag sitzt.

Im Jahr 2019 stehen in Hamburg, Bremen und acht Flächenländern inkl. den Ost-Ländern Kommunalwahlen an. Bis dahin wird die AfD ihre Strukturen weiter ausbauen. Die Wahlkreisbüros, die ihr durch die Landtags- und Bundestagsmandate zur Verfügung stehen, könnten dabei sehr helfen. Immerhin hat die Partei viele hunderte hauptamtliche MitarbeiterInnen zur Verfügung und ist dadurch in der Fläche ansprechbar. Nicht zu vernachlässigen sind auch die vielen bezahlten Stellen in den Geschäftsstellen der kommunalen Fraktionen in größeren Gemeinden und Kreistagen.

Im Sommer 2019 könnte sich die Zahl der kommunalen AfD-Mandate also noch einmal deutlich steigern. Vermutlich bleiben dann auch viele Sitze unbesetzt, weil die der AfD nach den Ergebnissen zustehenden Sitze die Zahl der BewerberInnen übersteigen werden.
Daneben ist zu erwarten, dass die Liberal-Konservativen Reformer um Lucke aus dem Europaparlament verschwinden werden. Im Herbst werden dann die Landtage in Brandenburg, Sachsen und Thüringen neu gewählt. Alle Umfragen deuten eine mögliche Verdopplung der letzten Ergebnisse an. Gleichzeitig werden die „Abweichler“ unter den bisherigen Abgeordneten ihre Sitze verlieren. Frauke Petry bleibt dann nur noch ihr Mandat im Bundestag.

Aktualität & Daten

Die Recherche zu kommunalen Mandaten ist sehr aufwändig, da es meist keine zentralen Verzeichnisse gibt und die verfügbaren Daten oft ungenau oder fehlerhaft sind.

Sollten Daten nicht mehr aktuell sein, oder etwas fehlt, bitten wir um Unterstützung durch einen kurzen Hinweis – wenn möglich mit Quellenangaben (Kontakt).

Stand der Recherche: Januar 2018

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