Einen neuen Ansatz in der Darstellung von Informationen über die extreme Rechte verfolgt das apabiz mit dem Projekt »Rechtes Land«. Auf einer interaktiven Karte im Internet werden Schauplätze und Ereignisse der rechten Szene dargestellt. Dabei geht es in erster Linie nicht darum, neue Informationen zu sammeln, sondern bereits vorhandenes Wissen zu bündeln und ortsbezogen darzustellen. Denn »Rechtes Land« soll eine übersichtliche Quellensammlung mit visuellem Zugang über eine Karte werden.
An Wissen über Neonazis, ihre Strukturen, Aktivitäten und Gewalttaten mangelt es vielerorts nicht. Doch wahr- und vor allem auch ernst genommen werden die durch Antifa-Gruppen, Initiativen und Engagierte vor Ort gesammelten Erkenntnisse oft nur widerwillig oder gar nicht. Durch den Zugang über eine Karte findet das lokal vorhandene Wissen weitere Verbreitung und zugleich kann das Engagement bekannter gemacht werden.
Ein Atlas mit Informationen und Quellen bietet aber weitaus mehr Möglichkeiten als die reine Darstellung von Ereignissen. Einfach und übersichtlich lassen sich Schwerpunkte und Zusammenhänge erkennen. Wo gibt es viele Übergriffe, an welchen Orten marschieren Neonazis regelmäßig auf, wie sind rechte Parteien kommunal verankert? Bei »Rechtes Land« lässt sich dieses Wissen übereinander legen und visuell darstellen. Will man mehr über die einzelnen Ereignisse erfahren, so kommt man auf die Homepages derjenigen, die darüber berichten und das Wissen besitzen.
Neue Recherche-Ansätze
Bereits seit einiger Zeit experimentieren wir im apabiz mit Web-Anwendungen und unterstützen Recherchen mit datenjournalistischen Methoden. Ergebnisse dieser Arbeit sind die Zeitleiste zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und zu den Übergriffen von Neonazis in Berlin. Bei diesen ersten Schritten ging es uns darum mit der Abbildung der Ereignisse auf einer Karte und einer Zeitleiste einen Überblick über Strukturen zu bekommen und Abläufe und Handlungsmuster zu erkennen. Einen ähnlichen Ansatz wählten wir bei einer Veröffentlichung zu Neonazi-Versänden. Durch Hacks rechter Versandhäuser werden schon seit Jahren immer wieder die Bestell-Daten von Neonazis öffentlich. Über die Herkunft der Besteller_innen lässt sich erkennen, wo es besonders viele Konsument_innen von Szene-Klamotten und Rechtsrock gibt. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die regionale Verankerung von rechtem Lifestyle.
Den genannten Projekten war eines gemein: die verwendeten Daten lagen bereits vor, die interaktive Form der Aufbereitung ermöglicht jedoch neue Analysen und Schlussfolgerungen. Gerade wenn wir mit einer Fülle von Informationen konfrontiert werden, helfen uns die Tools einen Überblick über Orte, Personen und Strukturen zu bekommen – und darin auch bestimmte Muster ablesen zu können. Diesen Effekt wollen wir in Zukunft durch die Verzahnung von Wissen noch stärker nutzen.
Unabhängige Finanzierung sichert unabhängige Inhalte
Bei der Umsetzung des Projektes kooperieren wir mit der Firma Lokaler, die eine interaktive Kartenanwendung entwickelt hat und uns die Software zur Verfügung stellt, so dass wir uns um die technische Umsetzung (anders als bei den anderen Datenjournalismus-Projekten) nicht selbst kümmern müssen.
Einen unkonventionellen Weg sind wir bei der Finanzierung des Projektes gegangen. Die benötigten 5.000 Euro für den Start des Projektes wurden über eine Crowdfunding-Kampagne gesammelt. Genau einen Monat war Zeit, um das benötigte Geld zusammen zu bekommen – und dabei wurde das Ziel sogar übertroffen. Bereits nach drei Wochen war die volle Summe da, über 400 Menschen unterstützten das Projekt mit kleineren und größeren Beträgen. Wäre die Summe nicht erreicht worden, hätte es das Projekt nicht gegeben, so das Prinzip von Crowdfunding. Der Weg, eine Idee über »die Crowd« zu finanzieren, lag bei einem Internetprojekt wie »Rechtes Land« eines ist, nahe. Bereits vor etwas über einem Jahr hatte die Kampagne »Kein Bock auf Nazis« (an der auch das apabiz beteiligt ist) die Druckkosten für eine neue Schülerzeitung über Kleinstbeträge und -spenden im Internet eingesammelt. Durch das Crowdfunding wird »Rechtes Land« von vielen Menschen gefördert, die von der Idee überzeugt sind. Der Vorteil für uns ist, eine Finanzierung zu haben und uns nicht mit Anträgen und Projektförderungen rumschlagen zu müssen, frei von externen Einflüssen.
Nachdem die Voraussetzungen erfüllt sind, beginnt nun die eigentliche Arbeit. Das Projekt muss mit Inhalten gefüllt werden, Datenquellen müssen erschlossen und eingepflegt werden. Von einigen Initiativen wurden wir bereits angesprochen, an andere werden wir in der nächsten Zeit herantreten. Denn profitieren werden von dem Projekt alle: Wissen wird breiter gestreut und präsenter gemacht, Informationen übersichtlich gesammelt und dargestellt. Die einzelnen Projekte können »ihre« Karte auf der eigenen Homepage einbinden, ähnlich wie es von Google-Maps-Karten bekannt ist. Und die Erfahrung aus den letzten Wochen zeigt, dass auch Interessierte erreicht werden, die sich nicht unbedingt intensiv mit der extremen Rechten auseinandersetzen und dennoch wissen wollen, was bei ihnen in der Region los ist. Wir sind offen für Ideen und tragen diese gerne in das Projekt hinein.
Felix Hansen
Beitrag aus dem apabiz-Rundbrief monitor Nr. 58